Kann ein Burnout vorhergesehen werden?

Ein Burnout entwickelt sich eindeutig progressiv, manchmal im Laufe mehrerer Monate. Doch komischerweise, und das ist charakteristisch für dieses Phänomen, tritt ein Burnout doch urplötzlich auf! „Ich bin zusammengebrochen… Ich wusste es, aber ich wollte es nicht wahrhaben…“
Die Verweigerung ist also die Grundlage des Prozesses. Durch sie kann die Person durchhalten, da sie denkt, dass es morgen besser gehe... Jeder hat es kommen sehen, wird später gesagt werden. Doch mit wem soll man darüber reden? Den anderen scheint es gut zu gehen… Durch die Verweigerung steht die Person, die in diesem schleichenden Prozess gefangen ist, alleine da. Übrigens ist die Einsamkeit die größte Ursache für das Leiden am Arbeitsplatz. „Mit wem können Sie darüber reden?“
Die Alternative ist, sich in seine Privatsphäre, die Familie, die Beziehung, zurückzuziehen. Denn dort, in ihrem Zuhause, im Kreise ihrer Liebsten, fühlt der Betroffene sich geschützt: „Ich fühlte mich gut. Ich zählte die Tage bis zum Wochenende... Der Sonntagabend war schrecklich. Manchmal weinte ich, nur beim Gedanken an…“
Hier liegt wahrscheinlich auch der Grund dafür, warum ein BURNOUT keine Depression ist: Die Quelle der Freude ist nicht versiegt. Doch sie befindet sich nicht mehr auf der Arbeit.
Die Arbeit: der Grund für die Erschöpfung?
Die Gründe für ein Burnout sind in dem subjektiven Verhältnis einer Person zu ihrer Arbeit zu suchen. Arbeit war schon immer eine Art und Weise zu existieren, sich zu verwirklichen. Doch heute hat die Arbeit „sich verändert“.
Ältere Menschen können dies bestätigen: Die Werte innerhalb der Arbeitswelt wie die Solidarität, das Engagement, der Teamgeist und die Unternehmenskultur sind in den letzten Jahren großen organisatorischen Veränderungen gewichen. Veränderungen, die wiederum als Antwort auf das Diktat der Rentabilität aufgetreten sind.
Unter diesen zahlreichen strukturellen Veränderungen ist es die „individualisierte Leistungsbewertung“ (Ch. Dejours), die am meisten an Bedeutung gewonnen hat. Anders ausgedrückt wird Arbeit ab nun für jeden einzeln bewertet. Außerdem wird nicht mehr die „reelle Arbeit“ bewertet, die tatsächlich erbracht wird, sondern die „vorgeschriebene Arbeit“, von der erwartet wird, dass man sie erledigt. Daraus resultiert für den Arbeitnehmer das Gefühl, dass er keine Anerkennung für die von ihm geleistete Arbeit bekommt! Dies ist das erste Glied in der Kette des Burnouts.
Diese Bewertungsprozesse haben dem Arbeitsverhältnis außerdem einen Wettbewerbsgeist beigemischt. Vorher steigerten die Kooperation, die gegenseitige Hilfe sowie die Solidarität die Motivation und die Lust, sich zu überbieten und seine Sache gut zu machen, aber mit gemeinsamer Kraft. Das Ergebnis heute ist ein Gefühl des Alleinseins, das zweite Glied in der Kette des Burnouts.
Sind einige Personen gefährdeter für ein Burnout als andere?
Tatsächlich findet man bei Betroffenen einige typische Charakterzüge, die an sich positiv sind und „auf dem Papier“ in der Arbeitswelt regelrechte Qualitäten darstellen:
- engagiert sein,
- unternehmerisch sein,
- seine Sache gut machen wollen,
- sich investieren,
- mehr tun, als verlangt wird,
- sich in Frage stellen, um seine Sache noch besser zu machen,
- die Perfektion anstreben (und denken, man werde noch mehr geschätzt).
Das heißt: ein Arbeiter, von dem man mehr verlangen kann, fast ohne Grenzen.
Dieser ideale Arbeiter ist ein Geschenk des Himmels für das Unternehmen… aber durch sein aufopferndes Verhalten (obwohl er auf sein Bedürfnis der Anerkennung eingeht), schafft er dennoch ein Verhältnis zu seiner Arbeit, das keine Unterscheidung mehr zwischen „dem, was ich zusätzlich machen werde“ (Vorsatz) und „dem, was ich machen soll“ (Realität) zulässt. Für das Unternehmen ist das eine Gelegenheit, von der es zu profitieren gilt. Für den Arbeiter hingegen besteht auf längere oder kürzere Sicht ein großes Risiko für ein Burnout.
Sind diese Personen labiler? Weil sie Probleme zu Hause haben? Das ist möglich. Doch meist ist es das Leiden auf der Arbeit, das die Personen, die ein Burnout erleiden, zusammenbrechen lässt. Es gibt keine Vorzeichen. Die wissenschaftliche Literatur sagt: „Ein Burnout tritt bei ‚normalen‘ Personen auf.“
„Ich habe es nicht kommen sehen...“:
Der Prozess ist somit in Gang gebracht. Schleichend. Erst viel später kann die Person auf die Zeit zurückblicken und die verschiedenen Zeichen in Verbindung bringen, die sie hätten warnen müssen (größere Müdigkeit, niedrigere Konzentrationsfähigkeit, weniger schnelle Erledigung gewöhnlicher Aufgaben, schnellere Überlastung, Gedächtnisverlust, Isolation, Zurückgezogenheit aus Angst, weniger leistungsfähig zu erscheinen, Reizbarkeit gegenüber Kunden, Kollegen usw.). Doch typisch für ein Burnout ist an erster Stelle die Verweigerung. Der Arbeitnehmer ist auf der Suche nach Anerkennung in seinen eigenen Augen und denen der anderen. Er kann sich nicht vorstellen, sich selbst und noch weniger die anderen zu enttäuschen. Daher dieser heimtückische Mechanismus der Trennung zwischen sich und der Realität, der dafür sorgt, dass die Signale nicht das Bewusstsein erreichen.
Kurz vor dem „Zusammenbruch“ – denn der Prozess der strategischen Verweigerung, um weiter durchzuhalten, kann nicht mehr aufrechterhalten werden und wird immer weniger gut funktionieren – bringen Gefühle der Schuld, des Alleinseins, des Verlusts des Selbstwertgefühls das Fass zum Überlaufen. Nun muss die Angst, darüber zu reden, überwunden werden, auch wenn man urplötzlich aus sich herausbricht bzw. zusammenbricht. Die Verweigerung ist so stark, dass einige in einem letzten Aufkeimen von Stolz vielleicht sagen: „Ich habe es nicht kommen sehen...“